lonely hearts @ SMU Berlin

Irène Mélix: lonely hearts

21. Mai 2021 – 18. Oktober 2021

 

_____UM WAS GEHTS? [einfach gesagt] Diese Ausstellung war im Schwulen Museum in Berlin. Irène Mélix, die Künstlerin hat dort verschiedene Werke gezeigt. Viele dieser Werke sind aus Dingen entstanden, die sie in Archiven gefunden hat. Zum Beispiel hat sie viele Kontaktanzeigen von queeren Menschen gesammelt. (Queer heißt, dass Menschen nicht denken, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Männer und Frauen. Und dass nicht nur Männer und Frauen sich lieben können. Es gibt viele Arten zu lieben und zusammen zu leben.) Diese Kontaktanzeigen waren im Raum zu hören. Schon immer haben Menschen andere Menschen gesucht, wollten sich verlieben oder haben Sex gesucht. Das alles kann man in den Kontaktanzeigen sehen. _____

 

In ihrer jahrelangen Beschäftigung mit der Konstruktion von lesbischen Identitäten und queerer Geschichtsschreibung hat die Künstlerin Irène Mélix eine Sammlung von über 800 Kontaktanzeigen von Lesben und Queers angelegt, sogenannte „lonely hearts“. Ihr Material findet sie in historischen Zeitschriften, in queeren Archiven und Online-Plattformen. Die Anzeigen stammen aus Australien, Frankreich, Kasachstan, Deutschland, Polen und den USA und schreiben eine ebenso transnationale wie nicht-lineare, epochenübergreifende queere Geschichte. Die kurzen Texte erzählen in komplexer Weise vom Lieben, Leiden und Leben der Schreiber*innen, von ihrer ökonomischen Lage, ihren Sehnsüchten sowie von ihren Diskriminierungserfahrungen. Obwohl anonym und jede einzigartig, sind sie Stellvertreter*innen für Leben und Lieben von Queers und Lesben, die selbst in der queeren Geschichtsschreibung oft vernachlässigt werden.

Die Ausstellung lonely hearts im Schwulen Museum bildet eine Momentaufnahme in diesem fortlaufenden, translokalen und künstlerischen Rechercheprozess. Hier versammeln sich das Interesse für die Geschichten lesbischer Mitstreiter*innen, deren Leben und Sichtbarkeit, sowie die Suche nach unterschiedlichen Facetten von Liebe, Begehren und Leidenschaft und die drängende Frage, warum es vergleichsweise wenig darüber zu finden gibt. Gleichzeitig zeigen die Fundstücke, dass sie da waren und sind, die Mitstreiter*innen, Gleichgesinnten, Vorbilder und Freund*innen. Sie erzählen ihre Geschichten – in Romanen, Zeitschriften, Bildern und Kontaktanzeigen. Und so tauchen sie auch in der Ausstellung auf: in Audiostücken, Textsammlungen oder als Vorbilder für die Reinszenierung historischer Fotografien.

In Hommage an Alice Austen (2020) reinszeniert Irène Mélix beispielsweise ein Foto der amerikanischen Fotografin Alice Austen (1866 – 1952), das sie und zwei Freundinnen in entspannter Haltung und Männeranzügen zeigt. Austen war eine der ersten Frauen, deren fotografisches Werk öffentliche Beachtung fand, ihr Lesbischsein und die 53 Jahre dauernde Beziehung zu ihrer Partnerin Gertrude Tate findet in der Interpretation ihres Werkes jedoch oftmals keine Erwähnung. Die Arbeit Silberring, Rohdiamant (2018) geht auf eine Romanstelle aus Maximiliane Ackers „Freundinnen – Ein Roman unter Frauen“ von 1923 zurück, in der ein Diamantsplitter sinnbildlich für die abgeschliffenen Teile der Gesellschaft und damit als Allegorie für Diskriminierung steht.

Gleichzeitig flüstert und spricht es aus unterschiedlichen Ecken der Ausstellung. In der Audioinstallation lonely hearts (ongoing) artikuliert sich die Suche nach Lust, Liebe und Partner*innenschaft. Die Arbeit wurde eigens an den Kontext des Schwulen Museums angepasst, ebenso wie das Bar-Setting, in dem die Audioarbeit lila lieder (2018) zu hören sein wird, die epochenübergreifend das Zusammentreffen queerer und lesbischer Charaktere in einer belebten Bar beschreibt.

Das Projekt lonely hearts erhebt trotz der intensiven künstlerischen Recherche keinen Anspruch auf Ganzheitlichkeit und will auch ihre eigenen Leerstellen thematisieren. Es ist eine Momentaufnahme in Irène Mélixs‘ fortlaufender Auseinandersetzung mit einer eigenwilligen Dokumentation queerer Geschichte(n) und soll auch Ausstellung, Rechercheplattform und Treffpunkt zugleich sein.

Eine Ausstellung von Irène Mélix. Kurator: Vincent Schier.

Ganz besonderen Dank an Birgit Bosold, Carina Klugbauer und das Team des Schwulen Museum Berlin.

Das lonely hearts Archiv online durchstöbern und auf Anzeigen antworten: https://lonely-hearts.org

Querformatige Farbfotografie eines Ausstellungsraumes. Von rechts wird der Raum mittig durch eine Bar geteilt, links hinten sind eine Tür und ein hohes Fenster. Die Wände sind teils dunkellila gestrichen, inselartige Teppichformen in gleichem Farbton sind in der hinteren linken Ecke und rechts vorne um die Bar herum ausgelegt. Der restliche Boden ist hellgrau. Auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes ist eine große Fototapete angebracht, die die zeigt, wie ein Ring über den kleinen Finger einer Hand gestreift wird. In der linken Bildhälfte läuft eine weiße Wand ins Bild, an deren vorderem Teil vier Leuchtkästen befestigt sind, wobei der vorderste leicht angeschnitten ist. Sie zeigen schattenartige Silhouetten verschiedener Personen. An der Decke des Raumes sind Galerieleuchtsysteme befestigt, an manchen Stellen Spots. Installationsansicht, SMU Berlin (2021)
Die querformatige Farbfotografie zeigt die Ansicht eines Ausstellungsraumes mit mehreren Ecken. Eine dunkellila gestrichene Wand wird gesäumt von einer weißen Bar in zwei verschiedenen Höhen. Über der Bar hängen tiefe, schwarze Lampen, an der Wand sind verschiedene historische Bilder sowie weiße Konturen von Krägen befestigt. Vor der Bar stehen zwei hölzerne Barhocker. Ein runder, dunkellila Teppich schlängelt sich um die Bar, der sonstige Boden des Ausstellungsraumes ist hellgrau. Am linken Bildrand stützt sich eine schwarz gekleidete Person mit weißen Turnschuhen, rasiertem Kopf und Maske auf der Bar ab, auf dem rechten Barhocker sitzt eine weitere, leger gekleidete Person mit kurzen Haaren und Maske, deren linker Ellebogen ebenfalls auf der Bar abgestützt ist. Beide Personen blicken sich an. Am rechten Bildrand stehen zwei weitere Personen enger beieinander, die sich ebenfalls anblicken. Die linke trägt schwarze Kleidung und eine grüne Jacke, auch sie hat kurze Haare und eine schwarze Maske auf. Die andere trägt eine orangene Jacke, kurze graue Haare, eine Umhängetasche und ebenfalls Maske. Sie ist von der Seite zu sehen und hat die Arme verschränkt. Fotos: SMU Berlin
Die querformatige schwarz-weiß Fotografie zeigt mittig drei Personen, die in einem Garten stehen. Im Hintergrund sind links und mittig Bäume und Büsche zu sehen, am rechten Bildrand im Anschnitt eine Laube und ein Beet, dass durch Holzbalken begrenzt wird. Im Hintergrund der linken Bildhälfte stehen zwei Töpfe mit Pflanzen und es sind drei Autoreifen übereinandergestapelt. Es ist Sommer, die Bäume tragen Blätter. Die drei Personen sind auf der Wiese, die mittlere sitzt auf einem Hocker mit Stahlbeinen. sie blicken alle drei in die Kamera. Alle drei sind mit Hemden, Blusen und Anzugteilen bekleidet, sie haben kurze Haare und Caps auf dem Kopf, alle drei tragen Doc Martens. Die linke Person hat eine Zigarette in der rechten Hand, die linke Hand ist am Gürtel eingehakt. Sie blickt amüsiert mit leicht zur linken Seite geneigtem Kopf. Die rechte Person hat beide Hände in den Hosentaschen vergraben und schaut prüfend-ernst, leicht nach vorn gebeugt. Die mittlere Person hat das linke Bein über dem Knie angewinkelt und hält es mit der rechten Hand. Zwischen ihren Beinen klemmt ein Regenschirm, dessen Griff genau in der Mitte zwischen ihren Beinen hervorragt. Hommage to Alice Austen by Francy Fabritz, Nadine Grobeis, Irène Mélix (2021)
Die queformatige Farbfotografie ist eine Detailaufnahme der Bar. Die linke Bildhälfte wird von der dunkellila Wand der Bar eingenommen, an der die weiße, ca. 50cm hohe Zeichnung eines Kragens mit Fliege und Hemd hängt. Die ist nur durch feine, schwarze Linien begrenzt. An der unteren Bildkante ist im Anschnitt die weiß gestrichene Bar, im Hintergrund der rechten Bildhälfte ist eine tiefhängende, schwarze Lampe der Bar zu sehen, der Anschnitt eines Barhockers, sowie auf der Wand hinter der Bar die große schwarz-weiß Fotografie der drei Personen im Garten.
Die querformatige Farbfotografie zeigt das Detail eines Tablets, das auf einem kleinen schwarzen Brett steht. Die Wand um das Tablet herum ist schwarz gestrichen, am linken und rechten Bildrand ist die Wand weiß. Ein Kabel führt vom Tablet weg hin zum unteren Bildrand. Auf dem Tablet ist eine Seite geöffnet, deren Überschrift in weiß auf schwarzem Grund „lonely hearts“ lautet. Die Schrift ist leicht krakelig. In der rechten oberen Ecke steht „About“, der restliche Bildschirm ist gefüllt mit sandfarbenen Vierecken, deren rechte obere Ecke jeweils abgeschnitten ist und auf denen Kontaktanzeigen in verschiedenen Sprachen erkennbar sind. An der unteren Kante jeder Karte ist rechts ein Symbol eines Globusses und links das Symbol eines schreibenden Stiftes. lonely-hearts.org, digitale Plattform (2021)
Die querformatige Farbfotografie zeigt die weiße Wand, an der vier Leuchtkästen hängen. Links und rechts am Bildrand stehen leger gekleidete Personen, die in Richtung der Leuchtkästen blicken. Die Leuchtkästen zeigen schwarze, schattenartige Silhouetten und sind leicht unter Sichthöhe befestigt. Sie haben Holzrahmen. Der Leuchtkasten ganz rechts wird verdeckt durch die betrachtende Person im Raum.
Detailfotografie der Wand mit den Leuchtkästen. Der Fokus ist auf den Schatten der Leuchtkästen, der Ausstellungsraum erscheint daher sehr dunkel. Am unteren Bildrand ist die Fußleiste des Raumes. Der Leuchtkasten ganz links zeigt eine fünf Menschen, die in einer Gruppe stehen und einen Schatten nach links werfen. Ihre Silhouetten sind teils scharf, teils sehr unscharf. Der Leuchtkasten daneben zeigt eine sitzende Person mit gespreizten Beinen sowie eine stehende Person, die von hinten zu sehen ist und in Richtung der sitzenden blickt. Auf dem dritten Leuchtkasten ist eine kleine, stehende Person am oberen Rand zu erkennen, die die Arme verschränkt hat und zu rauchen scheint. Sie wirft einen Schatten nach rechts. Der letzte Leuchtkasten der Reihe zeigt den Hinterkopf einer Person mit kurzen Haaren, die in Richtung einer Person blickt, die sich am rechten Rand mit dem Arm abstützt, die Beine über Kreuz, und die zurückblickt zu der anderen Person. Sie wirft ebenfalls einen Schatten nach rechts. o.T., 4 Leuchtkästen, je 50x50cm (2021)
Detailaufnahme der Personengruppe aus dem linken Leuchtkasten. Die rechten zwei Drittel des Bildes sind durch die fünf Personen eingenommen, deren Silhouetten teils scharf, teils unscharf sind. Der weiße Bildraum hat die Struktur von Papier, die schwarzen Silhouetten scheinen von hinten hervorzutreten. Die Personen sind einander zugewandt, sind alle von vorne zu sehen. Ihr langen Schatten laufen zum linken Bildrand. Detail
Weiteres Detail des rechten Leuchtkastens. Es zeigt den Hinterkopf der Person mit kurzen Haaren, die in Richtung einer Person blickt, die sich am rechten Rand mit dem Arm abstützt, die Beine über Kreuz, und die zurückblickt zu der anderen Person. Sie wirft ebenfalls einen Schatten nach rechts. Auch hier ist die Struktur von Papier erkennbar, die Silhouetten sind teils scharf, teils unscharf. Detail
Querformatige Farbfotografie des Ausstellungsraumes, in die Ecke mit Tür und dem langen Fenster fotografiert. Auf der rechten Seite ragt die Wand mit der Fototapete des Rings ins Bild, die linke Wand ist dunkellila gestrichen, vor ihr schlängelt sich der Teppichboden in der gleichen Farbe entlang. An dieser Wand ist rechts neben der Tür auf Fußhöhe ein Textblock in weißer Schrift angebracht, darüber eine kleine Vitrine auf Augenhöhe, die ebenfalls lila gestrichen ist. Hinter der Glasscheibe ist ganz klein ein silberner Ring erkennbar.
Querformatige Farbfotografie. Im Fokus stehen die Hände einer Person, wobei die linke Hand gerade der rechten Hand einen Ring über den kleinen Finger streift. Im Hintergrund ist verschwommen der Oberkörper bis zur Brust zu sehen, die Person trägt ein schwarzes, kurzärmliges Oberteil und an der unteren Bildkante ist eine rote Beinbekleidung im Anschnitt zu sehen. Die linke obere Bildhälfte ist vom rechten Arm der Person eingenommen, sie trägt ein Tattoo mit einzelnen, ornamentalen Linien, das sich bis über den Handrücken zieht. Die rechte untere Bildhälfte ist von der linken Hand eingenommen. Die Finger der linken Hand sowie der kleine Finger der rechten Hand sind scharf im Fokus, der kleine, silberne Ring wird gerade über den mittleren Knöchel des kleinen Fingers gestreift. Die obere mitte des Rings bildet eine Hand, die sich über den ungeschliffenen Stein legt, der von einer weitere, unteren Hand gehalten wird. Silberring/Rohdiamant, Digitalprint (2021), Foto: M. Hamann
Das querformatige Farbfoto ist leicht von links in die Ecke fotografiert und zeigt vier Personen, die sich über eine lange, schwarze Vitrine beugen, die vor der Wand steht. Die Personen sind bunt und leger gekleidet, die zwei rechten scheinen für sich zu lesen, die zwei linken Personen sind im Gespräch. Die Wand im Hintergrund ist weiß gestrichen, der Boden hellgrau. An der rechten Bildhälfte ist im Anschnitt ein Poster an der Wand zu sehen, das eine liegende Frau zeigt, vor der ein Minitel, ein altertümlicher Computer steht.
Detailaufnahme einer Zeitschrift in der Vitrine. Sie ist aufgeschlagen und zeigt Text in Maschinenschreibschrift und wenige Illustrationen. Die linke Seite ist gefüllt mit kleinen Anzeigen auf französisch, die von schwarzen Linien umrandet sind. Über der Umrandung ist die Illustration einer langhaarigen Person, die ihre Hand seitlich an den Mund hebt und zu rufen scheint. Die rechte Seite der Zeitschrift zeigt die Illustration eines Briefumschlags, auf dessen Innenseite ein Gesicht angedeutet ist. Darunter steht Text auf französisch und eine Linie mit einer Schere deutet an, dass die untere Hälfte der Seite abgeschnitten und ausgefüllt werden soll. Lesbia, Archivmaterial, Spinnboden Berlin
Weitere Detailaufnahme einer Zeitschrift aus der Vitrine, ebenfalls schwarz-weiß. Die linke Seite zeigt ein Foto zweier schwarzer Frauen, die breit lachend in die Kamera blicken. Sie sind in Party-Stimmung, tragen kurze Haare, die rechte ein kariertes Hemd. Darunter sind Kleinanzeigen auf französisch zu lesen, außerdem ist die Anzeige eines Lokals mit dem Namen „La Bolée“ abgedruckt. Die rechte Seite der Zeitschrift zeigt weitere Anzeigen sowie ein großes Foto, auf dem sich eine weitere schwarze Person mit Dreadlocks beim Tanz im Kreis dreht. Lesbia, Archivmaterial, Spinnboden Berlin